Geschichtsstunde der anderen Art
Auf dem Martberg bei Pommern tauchen Schüler aus dem ganzen Kreis in das Leben der Kelten und Römer ein
Fasziniert stehen die Mädchen und Jungen vor einem kleinen Skelett, das Archäologen freilegen. "Ist das ein Dinosaurier?“, will ein Junge wissen. "Wenn das ein Mensch ist, kotz ich“, sagt ein Mädchen. Die Schüler rätseln noch ein bisschen. Sie nehmen - wie 1400 andere auch - an dem Geschichtsprojekt auf dem Pommerner Martberg teil.
POMMERN. "Können alle etwas sehen?" Sebastian Scholz steht mit den Kindern der Bullayer Grundschule in einem Ausgrabungszelt um ein großes Loch herum. Seine Kollegen, die Archäologen am Landesamt für Denkmalschutz, unterbrechen für einen Moment ihre Arbeit. Scholz erklärt: "Hier haben wir einen keltischen Mülleimer vor uns. Den Lehm aus dem Loch brauchten die Kelten zum Häuserbau, anschließend haben sie es als Abfallgrube genutzt.“ Nun liegt da ein Skelett drin.
Wäre es von einem Dinosaurier, müsste es 500 Millionen Jahre alt sein. Doch Kelten und Römer haben vor 2000 Jahren auf dem Martberg gelebt. "Das ist ein Tier!" ruft ein Neunjähriger. "Ein Hund! Ein Wachhund!" präzisiert ein anderer. Richtig. Sebastian Scholz zeigt Schädel und Schulterblätter, Rippen und Hinterbeine. "Was macht ihr jetzt damit?" , will der Knirps wissen. "Das Skelett wird jetzt vorsichtig ausgegraben, weiter untersucht und kommt dann ins Museum", erklärt der Wissenschaftler, der zu dem Team gehört, das seit 1994 die Schätze des Martbergs birgt.
Dieser archäologische Anschauungsunterricht ist Teil des Martbergprojektes für Schüler. An anderen Stationen werden sie aktiv eingebunden. Ein römischer Legionär nimmt die Kinder mit zu einer kleinen Ausbildungsstunde. Sie bilden mit großen roten Holzschildern erst einen Verteidigungsring, dann eine sogenannte Schildkröte. Dazu müssen sie sich komplett unter den hölzernen Panzer ducken. Der Legionär schlägt zum Test mit einem Stab drauf. "Auaaa!", schreien die Kinder - wie in einer Szene bei Asterix und Obelix.
Die beiden Comicfiguren tauchen in einer Multimediaschau auf, die den Schülern die historische Bedeutung des Martbergs erklärt. Ganz leibhaftig taucht dann ein Druide auf, der sie in den rekonstruierten Tempel führt - dorthin, wo vor 2000 Jahren die Götter Lenus und Mars verehrt wurden.
Der Druide Tarquinius heißt im wirklichen Leben Heinz-Josef Birkenbeil und gehört dem Heimatverein Pommern an. Er unterstützt wie der Förderverein Martberg und das Forstamt Cochem in Person von Albert Jung die Schulprojekttage auf dem Martberg. Die Kinder sind beeindruckt von dem Druiden, der ihnen von Venus und Pomana erzählt, von den Priestern und dem Zahlenorakel, mit dem sie Vorhersagen getroffen haben. "Auch zwei von euch haben die Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen, kündigt Tarquinius an. Christina zieht die 93. "Die Befreiung von Unterdrückung und Not ist nahe", kündigt der Druide an. Noch in diesem Herbst wird sie zwei Wochen lang von einer schweren Mühsal befreit.
Doch auf dem Martberg wartet zunächst noch Arbeit. Die Kinder stürzen sich in den Lehm und verputzen ein Holzhaus, dessen Wände aus Haselnussästen geflochten sind.
Dann geht es zur Backstube unter freiem Himmel. Acht Kilo Fladenteig wollen zu Brötchen verarbeitet und anschließend im Lehmofen gebacken werden. "Gibt’s hier kein Besteck?“, fragt ein Kind — und besinnt sich schnell. "Quatsch, das gab es bei den Kelten ja auch nicht.
Bericht Rheinzeitung 30.09.2006